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| Der Traum von Freiheit |
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Freilichttheater
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Christian Berg ist als Musicalmacher längst einem großen Publikum bekannt. Zusammen mit Melanie Herzig hat er nun ein Musical und diesmal eines mit historischem Bezug auf die Bühne gebracht. Nicht nur die Handlung, auch der Ort ist außergewöhnlich, tritt doch das gesamte Ensemble im Freien auf dem Gelände von Schloss Ritzebüttel in Cuxhaven auf mit der historischen Schlossmauer als bespielbaren Hintergrund. Christian Berg hat schon in seinen vorherigen Produktionen gezeigt, dass er mit wenigen Mitteln Großes auf die Beine wuchten kann. So ist wohl die Hälfte der Kostüme und ein Teil der mittelalterlich anmutenden Requisiten dem Fundus der Verdener Domfestspiele entliehen. Als Erzähler in der Gestalt des Dieners, Knappen und Schuhputzers [eine Anspielung auf ein häusliches Hobby des Gaststars] des edlen Herren und Wanderers zwischen den Welten (Pierre Brice) führt er das Publikum durch die Handlung. Dabei sucht er den engen Kontakt zum Publikum und schlüpft auch mal in die Rolle eines figurativen Drachen, der dort helfend in die Handlung eingreift, wo es einem Menschen nicht möglich wäre. Und Hilfe brauchen die Menschen, die sich um ihre Wortführerin Tjede Peckes scharen, wirklich genug. Ihr Gegenspieler ist Bischof Christopher von Bremen, der es auf das Land der Friesen abgesehen hat. Auch er hat einen Helfer, nämlich Dedo, einen schmierigen Priester, der als Handlager des Bischofs seine eigenen Ziele verfolgt. Der Wanderer zwischen den Welten ist „ein Händler der Worte“. Christian Berg holt Pierre Brice von dem hohen Ross, das er als romanhafter Häuptling einst ritt, und lässt ihn volksnah als einfaches, wenn auch namhaftes Ensemblemitglied die Handlung kommentieren. Es ist erfrischend, einen gefeierten Kino-Helden einmal bodenständig erleben zu dürfen. Das passt auch zum Stück. Denn der Edelmann bewundert die Bodenständigkeit des friesischen Volkes und macht als Erzähler daraus „die Geschichte von Freiheit und dem Glauben daran“. Die Perspektiven des einfachen Volkes sind trüb. Aber der Edelmann macht ihnen Hoffnung: „Nach dem Donner folgt der Regenbogen mit all’ seinen herrlichen Farben“. Er begibt sich mit dem Publikum und „mit wenig Hoffnung im Herzen auf die lange Suche nach einem sicheren Ort“. Aber sein Knappe ist auch ein williger Helfer. „Freundschaft ist ziellos und kennt keinen Ort“ singt er mit Tjede zusammen und macht klar, dass die Suche nicht so lang sein muss, wie sein Herr es meint. Der Priester hat es derweil auf die aufständische Friesin Tjede abgesehen, die er beim Bischof anschwärzt. „Die Angst ist die Flamme unserer Zeit“ gibt er zu Bedenken und stellt den Glauben der Freiheitskämpferin in Frage. Sein „Hexen-Einmaleins“, das er an Tjede richtet, ist ein Hit von Konstantin Wecker, der die Musik für das Musical schrieb. „Muss denn die Tjede ihr Herz immer auf der Zunge tragen?“ fragt ein Freund, der es gut mit der Widerstandskämpferin meint. Die mutige Friesin Gesche befreit ihre Tochter in letzter Sekunde aus den Fängen des Bischofs und redet ihm ins Gewissen. Sie singt für ihn das Lied vom König, der von einem Kind sein wahres Gesicht offenbart bekam und sich damit anfreundete. Der Knappe spielt als Drache Priester und Bischof gegeneinander aus, so dass die gefährliche Allianz zerbricht. Tjede zieht mit ihren Gefolgsleuten gegen die Söldner des Bischofs in die Schlacht und fällt im Alter von etwa siebzehn Jahren. Der Bischof sitzt bei Pulverknall und Waffengerassel auf seinem Thron und bemüht sich, sein Handeln vor sich selbst zu rechtfertigen. Seine Soldaten gewinnen die ungleiche Schlacht, aber das Ansehen des Bischofs ist beschmutzt. Pierre Brice wird zum Schluss noch einmal Winnetou und rezitiert eine Passage, die er einmal als Kino-Häuptling auf einer Single sang. Er mahnt zum Frieden und blickt zurück auf sein Leben als Kämpfer für das Gute. So hat auch der 83jährige Häuptlingsdarsteller an entscheidender Stelle seinen großen Auftritt im Musical. Durch das einfache Kostüm schimmert sehr deutlich der Held, der für die Freiheit der Unterdrückten kämpfte. „Kampf bedeutet Leben“ lautet die Devise von Tjede, denn nur Freiheit macht Leben möglich. Das ist wohl die Botschaft des Musicals, das einzigartig ist in seiner Darstellungsweise wie auch in der Art des Themas. Eva Danner stellt die Freiheitskämpferin liebenswert und mit großer Stimme dar. Wibke Kienle spielt ihre Freundin Osanna mit großer Ausstrahlung und klangvollem Vibrato in der Stimme. Sie kommt in der Rolle gut zur Geltung. Joachim Quirin spielt seine Rolle des Dedo schelmisch und ironisch. Alexandra Kurzeja fällt in der Rolle der Schwester Tjedes auf, während Pierre Brice durch das notwendige Maß an Zurückhaltung Größe zeigt, die man einem so gefeierten Idol kaum zugetraut hätte. Als Erzähler drängt er sich nicht in den Vordergrund, sondern führt sehr dezent durch die Handlung. Auch die Schlacht der Friesen gegen die Söldner läuft hinter der historischen Mauer ab. Nur die sich über der Mauer kreuzenden Waffen und Fahnen sind für das Publikum sichtbar. Das blutige Kapitel der Geschichte wird somit nicht zum Hauptschauplatz, was durchaus lobenswert ist, denn die geballte Dramatik wird über die Figuren verdeutlicht und die Musik. „Eine wie sie“, eine Pop-Ballade mit energischem Schlagwerk und E-Gitarren-Politur, ist eine großartige Themenmelodie, gesungen vom Ensemble und der Hauptfigur Tjede. „Freiheit sucht sich ihren Raum“ ist der Refrain der hymnenähnlichen Melodie, die wie Beethovens Neunte zum Schluss noch einmal als wachrüttelndes Orchesterallegro ins Ohr geht und dort irgendwie nicht mehr raus will. Das ist es, was ein Musical ausmacht. Denn gute Musik bleibt im Ohr, und eine gut erzählte Geschichte bleibt im Gedächtnis haften.
Das Musical wurde vom 15.Juli bis 8.August 2010 aufgeführt.
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