Irma La Douce

Engelsaal

Als der junge Pariser Student Nestor sich in die attraktive Liebesdame Irma la Douce verliebt, steht sein Leben plötzlich Kopf. Eben noch beflissener Jurastudent, verliert er sich allmählich in seiner Eifersucht. Er kann sich nicht damit arrangieren, seine Verehrte mit anderen Männern teilen zu müssen, die ihr ein sattes Einkommen bescheren. So schlüpft er in die Gestalt des großzügigen "Mister Oscar", der Irma jeden Tag besucht und sie so gut bezahlt, dass sie auf keinen anderen Mann mehr angewiesen ist. Die Großzügigkeit seines zweites Egos geht aber zu Nestors Lasten. Er muss mit einfacher und mühevoller Arbeit das Geld zurückverdienen. Die Schwärmereien Irmas bezüglich ihres galanten Freiers wecken Nestors Eifersucht erneut. So entschließt er sich, "Mister Oscar" von der Bildfläche verschwinden zu lassen und wirft die Garderobe seiner zweiten Persönlichkeit in die Seine. Seine Erleichterung darüber, den fiktiven Gegner erledigt zu haben, weckt die Aufmerksamkeit der Justiz. So wird der seine Unschuld beteuernde Nestor mit seinen Kameraden zu einer Haftstrafe in einem berüchtigten Gefängnis verurteilt. Erst ein berührender Brief von Irma mit einer erfreulichen Neuigkeit macht Nestor Mut, den Ausbruch und die Flucht nach Schottland zu wagen. Von dort kehrt er in sehnlicher Erwartung, Vater zu werden, nach Paris zurück. Als er wieder in die Rolle des "Mister Oscar" schlüpft, kann er den Justizirrtum endlich aufklären und seine Geliebte heiraten.

Das Musical im Hamburger Engelsaal entfaltet mit seinen eingängigen Chansons spürbaren Charme. Erfrischend wird die bekannte Komödie musikalisch und schauspielerisch erzählt und gesungen. Schnell fühlt man sich vom französischen Flair des Musicals mitgerissen. Die Inszenierung von Ernst Buder, der auch das Buch nach der Vorlage von Alexandre Breffort schrieb, rückt die Eigenarten der Figuren und ihre Gefühlsmomente in den Vordergrund, was eine wichtige Voraussetzung für gutes Theater ist. Alle Charaktere wurden hervorragend besetzt, was sich schon an der Hauptfigur festmachen lässt.
Elena Siamitras spielt eine liebevoll emotionale Irma, die nie zu vordergründig ist. Mit herausragender Mimik und prickelnder Stimme lässt sie das Publikum an der Gefühlswelt der Figur teilhaben. Sie harmoniert bestens mit Philip Lüsebrink als Nestor, so dass das Musical eine Dynamik entfaltet, die von der Interaktion der Figuren gespeist wird. Es ist schön, wie die Emotionen in den Figuren reflektiert werden. Die eine Figur ist jeweils der Spiegel der anderen. So sollte es eigentlich immer sein, was man vom Engelsaal auch gewohnt ist. "Irma la Douce" ist allerdings ein nuanciertes Paradebeispiel für gutes Theater. Philip Lüsebrink geht in seiner Rolle auf, wechselt rasant von introvertiert zu egozentrisch. Zwischen den einzelnen Szenen schafft Guido Bayer als wandelbarer Erzähler die Übergänge, schlüpft ebenso rasant in die Rollen des Inspektors, des Richters und des Barmanns. Allen Figuren gibt er auf die Schnelle prägnante Züge, so dass einfache Kostüme für einen gelungenen Rollenwechsel schon ausreichen. Weiter Fahrt bekommt das Musical durch die drei lebhaften Schurken Jojo, Hypolite und Bonbon. Es sind liebenswerte Halunken mit dem knuffigen Bonbon in ihrer Mitte, der von seinen weiblichen Hormonen dominiert wird. Marco Spina setzt die schrille Figur konsequent und mit herrlicher, spielerischer Leichtigkeit um. Für nicht weniger Heiterkeit im Publikum sorgen Valentino Karl als impulsiver Jojo und Philip Görres als energischer Hypolite auf der Bühne. Beide sind sehr präsent in ihren Rollen und leichtfüßig bei den Tanzeinlagen. Ein Höhepunkt ist die Gesangs- und Tanzeinlage des Ensembles in Schottenkleidung. Denn sie ist auch ein gutes Beispiel für die einfallsreichen und vielgestaltigen Choreografien, in denen das Ensemble von Karin Westfal zu anschaulichen Tanzszenen arrangiert wird. "Irma la Douce" ist ein lustvolles Rendezvous von Schauspiel und Gesang in Bestform. Das Musical im Hamburger Engelsaal ist ein musikalischer Theaterabend mit viel Humor und Klasse, praller Farbenvielfalt in der Dramaturgie und nur dezent angedeutetem Rotlicht im Szenenspiel.