Silver Ladies

Engelsaal

Es hat mehr als ein Jahrzehnt gedauert bis der Engelsaal nun das erste eigene Musical zur Aufführung bringen konnte. Jahrelang konnte das Haus wertvolle Erfahrungen mit der Inszenierung bekannter Operetten und Musicalabenden wie "My Fair Lady" sammeln. Der Engelsaal hat sich dabei mit dem Genre vertraut gemacht und konnte seine Erfahrungen nun in das eigene Musical "Silver Ladies" einfließen lassen. Von der Idee zum Musical bis zur Premiere hat es dann aber zwei Jahre gedauert. Im weihnachtlichen Festmonat Dezember war es endlich so weit. Die "Silver Ladies" luden das Publikum erstmalig in ihren Friseursalon ein und ließen es teilhaben an der Geschichte dreier Frauen, die in allen Situationen zusammenhalten.
Der Friseursalon ist ihr ständiger Treffpunkt und der richtige Ort für ein Schwätzchen über alte Zeiten und neue Entwicklungen. Eigentlich haben die Silver Ladies alles, was Frauen im besten Alter brauchen: Geld, wenig Sorgen und viel Gesprächsstoff. Aber dann bringt der neue Hauseigentümer Herr Ullmann ihre vertraute Welt ins Wanken, denn der Friseursalon soll einem Geschäft mit Luxusartikeln weichen. Für die Inhaberin des Salons steht der Lebensinhalt auf dem Spiel und für ihre Freundinnen ihr lieb gewonnener Treffpunkt. Gemeinsam nehmen Sie den Kampf gegen den skrupellosen Geschäftsmann auf. Dabei kommt ihnen ein Stammgast wie gerufen, denn der homosexuelle Besitzer eines Herrenmodegeschäfts kennt den neuen Hauseigentümer aus früheren Tagen allzu gut und daher auch ein bizarres Geheimnis, das man dem smarten Geschäftsmann nicht zutrauen würde. Nun hoffen die Silver Ladies, Herrn Ullmann an dessen Achillesverse packen zu können. Die junge Salonmitarbeiterin Chantal wagt schließlich als erste den Schritt, den Gegenspieler ihrer Chefin mit der Wahrheit zu konfrontieren. Und die Silver Ladies finden somit eine pfiffige Lösung, den Salon zu retten.

Es sind in sich schlüssige Handlungen wie diese, gepaart mit unterhaltsamen Liedern, von denen erfolgreiche Musicalproduktionen leben. Die Handlung ist lebensnah und bodenständig. Dementsprechend kann das Publikum die Emotionen nachvollziehen und sich in die Lage der Figuren hineinversetzen. Das Musical hat daher schon einmal einen hohen Sympathiewert. Theaterintendant Karl-Heinz Wellerdiek hat das Buch zum Musical geschrieben ebenso wie die Liedtexte. Die Kompositionen stammen von Ralf Steltner, der am Klavier gemeinsam mit Andreas Steltner (Schlagzeug) und Kai Steltner (Gitarre) für die instrumentale Live-Begleitung sorgt. Dem Publikum ein Drei-Mann Orchester zu bieten, ist für ein kleines Theater - das muss man sagen - schon für sich genommen eine Leistung. Die Lieder machen "Silver Ladies" zu einem musikalisch vielgestaltigen Abend. Denn die Stilrichtung der Musik ist erfreulicher Weise sehr variabel. Besonders der Dauerwellen-Rap kam beim Premierepublikum sehr gut an. Laute Bravo-Rufe mischten sich in den Beifall, und aus den hinteren Reihen hallte ein spontanes "Ist das geil!" Richtung Bühne. Im zweiten Akt sorgte der melodische Titel "Das ist mein Leben" für ähnliche Begeisterung. Man kann diesen musikalischen Moment auch aus dramaturgischen Gründen als einen Höhepunkt des Musicals bezeichnen.
Denn zwischen den Noten und Zeilen scheint ein gekonnt abgewandeltes "My Way" durchzuklingen. Tatsächlich reflektiert das Lied ähnlich wie der Sinatra-Song das bisherige Leben. Andere Texte wie "Was Lacostet die Welt" sind dagegen witzig und amüsant zweideutig die Strophen. Das Titellied "Silver Ladies" ist herrlich flippig. Insgesamt ist das Musical gut durchkomponiert und wird von tollen Liedtexten getragen. Möchte man einwenden, dass nicht jeder Song gleichermaßen eingängig ist, so kommt es darauf gar nicht an. Zwei Lieder, die auf Anhieb für Begeisterung sorgen, sind für ein gelungenes Musical ausreichend. Ein Musical ist letztendlich doch immer ein Zusammenspiel von Musik und Theater. Die Dialoge zwischen den Liedern sind pointiert gehalten und sorgen für heitere Momente. Spröde Weisheiten wie "Geschäfte, bei denen man nachts schläft, bringen nichts ein" mischen sich mit teilweise doppeldeutigen Sprüchen wie: "Mein Mann hat sich immer einen schönen Stein gewünscht. Den Wunsch habe ich ihn erfüllt", sagt die energische Witwe sinngemäß und präsentiert den Edelstein auf ihrem Fingerring. Der Autor des Librettos spielt in der Inszenierung von Philip Lüsebrink eine Doppelrolle, nämlich den zunächst unsympathischen Herrn Ullmann, der eine ungeahnte Wandlung vollzieht und den homosexuellen Stammgast, der für Heiterkeit sorgt. Karin Westfal, Susanne Walbaum und Pamela Heuvelmanns meistern den Abend als harmonisches Trio, weshalb man sie auch zusammen erwähnen sollte. Stimmlich und auch darstellerisch sind sie sehr gut aufeinander abgestimmt. Kristin Riegelsberger ist die junge, schnippische Salonangestellte Chantal, die für sinnliche Gesangseinlagen sorgt, aber auch mit Karin Westfal den "Dauerwellen-Rap" zu deren Choreografie präsentiert.
Karl-Heinz Wellerdiek ist es gelungen, ein buntes Musical zu entwerfen, das eine überraschende Wendung nimmt. "Silver Ladies" bringt tolle Musik, schöne Texte und freche Sprüche unter eine Haube und ist ein Musical mit Stil und Style, das gute Laune versprüht.