Ella Endlich

Sängerin

Musical-Zeitung.de: In dem Stück „Sylt-ein Irrtum Gottes“ kann das Publikum Sie in einer Doppelrolle erleben, zum einen als naives Gänseblümchen, zum anderen als knallharte, beflissene Reporterin. Wie empfinden Sie selbst den Spagat zwischen zwei gegensätzlichen Figuren im selben Stück?

Ella Endlich:
Das ist gerade das Spannende für mich an dem Stück! Nur eine der Rollen durchzuziehen ist schon schön, aber es ist eben gerade dieser Kontrast zwischen den beiden verschiedenen Rollen, der das Publikum beeindruckt und verzaubert. Denn manchmal fragen sich die Leute: „Warum verbeugt sich denn die Verrückte vom Anfang des Stückes nicht?“ Und dann checken sie es und sagen „Ah, das war eine Doppelrolle!“ Da kriege ich immer ganz gute Resonanzen, dass die Leute es schön finden, dass es auch eine gewisse Schauspielkunst erfordert.




 

Ella Endlich Foto: Olaf Heine

Musical-Zeitung.de: Und die haben Sie zweifellos. Sie sind als ausgebildete Musicaldarstellerin im Musical-Genre seit Jahren aktiv und haben beispielsweise Arielle- die Meerjungfrau in „Best of Musicals“ oder Betzy in dem Musical „Sweet Charity“ gespielt. Wenn man so einen Erfahrungsschatz hat wie Sie und schillernde Figuren gespielt hat, gibt es da bestimmte Rollen, in denen man sich neu entdeckt oder mit denen man sich besonders schnell identifiziert?

Ella Endlich:
Naja, man weiß ja jetzt nun, dass ich seit drei Jahren nunmehr meine eigenen CDs veröffentliche und schreibe. Das heißt, den ganzen Theaterweg und den Musicalweg, den ich mal früher gegangen bin, den habe ich ja auch absichtlich ein bisschen hinter mir gelassen, weil das ein Abschnitt für sich war. Und wenn ich mal wieder Theater spiele, dann eben nur aus Lust und Laune. So kam ich halt auch an dieses Stück, denn ich kenne den Regisseur ganz gut. Das macht mir dann einfach Freude, wenn ich mit Menschen zusammenarbeite, die ich kenne und deren Qualität. Den Regisseur und Autor Dietmar Loeffler kenne ich schon von dem Stück „Männerbeschaffungsmaßnahmen“. Da habe ich einmal kurze Zeit anstelle von Jasmin Wagner gespielt, und da haben wir uns kennengelernt. Da habe ich drei Tage Zeit gehabt, mir die Rolle anzueignen. Und das habe ich wohl ganz gut hingekriegt. Seitdem wurde ich immer mal wieder angerufen für verschiedene Projekte.

Musical-Zeitung.de: Die Musik hat Sie schon in Ihrer Kindheit und im Teenageralter begleitet. Sie haben als Backgroundsängerin und Musikvideochoreografin gearbeitet. Der große Durchbruch mit einer vorderen wochenlangen Chartplatzierung aber kam erst mit „Küss mich, halt mich, lieb mich“. Wie verändert ein derartiger Erfolg die Beziehung zur Musik und zum Beruf?

Ella Endlich:
Erfolg ist erst einmal generell etwas Tolles. Es gingen verschiedenste Türen auf für mich. Wie man heute sieht, trete ich auch beim Christopher Street Day, der Schwulenfestparade, auf. Man sieht mich aber auch bei Florian Silbereisen, wenn man möchte. Man sieht mich aber auch in den Hamburger Kammerspielen im Theaterstück. Das heißt, es ist für mich das Beste, das passieren konnte, weil ich die Wahl hab’ und ich mich entscheiden kann zwischen den Dingen, die ich machen möchte.

Musical-Zeitung.de: Beim „Musikantenstadl“ waren Sie auch.

Ella Endlich:
Ja, genau! Aber vor der Sendung hatte ich zuerst ein bisschen Angst, weil ich dachte, man stempelt mich ab und sagt: „Was ist denn jetzt los? Geht`s nun in Richtung Volksmusik?“ Aber das hat so Laune gemacht. Und ich habe live gesungen! Endlich hat man mich live singen lassen wie auch schon einmal bei Gunther Emmerlich. Ich mag live viel lieber, denn ich habe dann das Gefühl, ich kann noch viel mehr Emotionen transportieren.

Musical-Zeitung.de: Sie sind mit dem Song auch aufgetreten bei „Mein schönstes Weihnachtslied“.

Ella Endlich:
„Küss mich, halt mich, lieb mich“ funktioniert einfach immer. Auch Brautpaare lieben das. Es ist ein Klassiker, ein Lied für Jung und Alt. Wir machen derzeit eine Dance-Version für das jüngere Publikum so zwischen 13 und 30, so in dem Bereich und ein bisschen discomäßig mit Video und mit zwei Discjockeys namens „Leuchtturm“. Die CD kommt voraussichtlich am 21.September 2012 heraus.

Musical-Zeitung.de: Mit „Küss mich, halt mich, lieb mich“ haben Sie den Zauber der Musik selbst erlebt. Kann man so etwas erklären oder staunt man da einfach immer wieder selbst?

Ella Endlich:
Ich staune immer noch. Ich merk das ja an den Reaktionen der Menschen. Diese Melodie begleitet sie schon ein ganzes Leben lang. Dann bin ich vor drei Jahren gekommen und habe das Lied erstmalig auf Deutsch gesungen, und da ging das noch einmal so richtig los. Ich merke halt diese Tradition, diese Emotionen, die die Menschen damit verbinden. Und teilweise sehe ich bei den Konzerten in die Gesichter der Menschen und ihre Tränen und das Aufgelöste ihrer Kindheit, ihrer Heimat oder was auch immer. Dieses Lied ist so viel größer als ich. Ich habe das verkörpert, und ich glaube, dass ich auch die richtige Besetzung bin für das Lied. Es hat gut hingehauen. Aber das Lied ist einfach größer.

Musical-Zeitung.de: Die Ballade aus „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ ist bei genauem Hinhören eigentlich melancholischen Inhalts, wenn es heißt: „Wer sagt mir heut, was morgen noch zählt? Wird die Welt bald neu geboren?“. Wie nahe liegen Melancholie und Romantik?

Ella Endlich:
Die ersten beiden Zeilen sind eigentlich sehr philosophisch in dem Song. Das heißt, es sind eigentlich übergreifende Gedanken, die sie hegt- die Figur, es ist ja eigentlich eine Märchenprinzessin. Ich finde, das Lied vermittelt Hoffnung und die Ahnung, dass bald etwas passiert und die Hoffung und die Ahnung auf einen positiven Ausgang.

Musical-Zeitung.de: Sie haben auch einen Musikfilm mit Ihren eigenen Songs geschrieben. In wie weit empfinden Sie Ihren Beruf überhaupt als Arbeit oder vielleicht als Erfüllung eines schönen Traums?

Ella Endlich:
Ich habe das Gefühl, insbesondere bei diesem Film, dass es die Verwirklichung eines Traums gewesen ist. Auch das Morgens-früh-um-fünf-Uhr-Aufzustehen, um sich dann schminken zu lassen, damit es weitergeht, war keine Qual, sondern positiv und für mich einfach toll. Ich hab' das Buch geschrieben, ich hab' die Leute gecasted dafür, ich hab' die Musik geschrieben. Für mich war das eine Woche des puren Traums. Wie ich mein Leben jetzt gerade lebe, mit all den unterschiedlichen Sachen, wo Ella Endlich überall stattfinden kann, das ist natürlich auch richtig toll. Und ich bin sehr gespannt, wie sich das alles weiterentwickelt für mich.

Musical-Zeitung.de: Gehören Märchen zu Leben von Ella Endlich?

Ella Endlich:
Immer zu Weihnachten. Ich bin - glaube ich – Idealist. Und wenn man Idealist ist, dann idealisiert man viele Dinge wie die Liebe oder Beziehungen oder Geschäftspartner. Man hat einfach einen gewissen Anspruch an die Dinge, an die Menschen, und an sich selber. Und das macht einen manchmal - glaube ich - auch zum Träumer. Ohne das geht es auch nicht: das Texten uns so weiter.

Musical-Zeitung.de: Ihre Songs haben tolle Inhalte. Bei „Woodstock“ singen Sie auf Ihrem Album „Meilenweit“ vom unerfüllten Traum, das Woodstock der sechziger Jahre mit eigenen Augen zu sehen. Bei „Männertango“ geht es darum, wer eigentlich die Hosen hat. Das sind keine Alltagsthemen. Sie haben eine Blickschärfe für das Leben. Muss man das erleben oder wie findet man seine Themen?

Ella Endlich:
Ich glaube, man sucht sich schon interessante Themen heraus und versucht, sie zu behandeln. Mir ist immer ganz wichtig, dass ich keine 0815-Texte abgebe, die ein Naturpanorama schön beschreiben, und allen geht’s gut. Ich versuche, Texte aus meinem Leben zu nehmen. Und ich habe einen schwulen besten Freund, dem „Männertango“ auch gewidmet ist. Und bei Woodstock wäre ich gerne mal dabei gewesen. Das sind alles Wünsche und Träume von mir, die man da hört, und Erfahrungen.

Musical-Zeitung.de: Haben Sie auf Ihrem aktuellen Album „Meilenweit“ einen Lieblingssong?

Ella Endlich:
Ich bin immer wahnsinnig stolz, dass wir den Song „Woodstock“ da mit raufgenommen haben, weil diesem Thema wurde sich – glaube ich – noch nie so angenährt. Der ist vom Beat her schön und hat diese Folk-Elemente, die man damals in den sechziger Jahren auch benutzt hat. Und darauf bin ich schon sehr stolz und finde das innovativ. Ich versuche, immer vielseitig zu sein. Denn es gibt ja schon so viel, und jeder Künstler muss das machen, was er fühlt und was er gut findet. Ich finde, es wird sich viel zu sehr orientiert an dem, was schon da ist.

Musical-Zeitung.de: Auch Ihr aktuelles Album „Meilenweit“ ist sehr gelungen und abwechslungsreich. Der Titelsong ist so richtig schwungsvoll und voller Energie. Den muss man einfach selbst gehört haben.

Ella Endlich:
(lacht) Das wollte ich auch- ein Lied, bei dem es so richtig abgeht. Und ein Lied, das nicht so herkömmlich ist, bei dem man sich wundert. Das finde ich gut. Wir sind mit beiden Alben sehr zufrieden, wie es so läuft. Und wir stellen uns vor, dass nach dem dritten Album die Leute verstehen, was Ella Endlich tut und woran ich gerade arbeite. Denn ich habe manchmal noch das Gefühl, es gibt eine große Zuhörerschaft, die kennt mich durch „Küss mich, halt mich, lieb mich“ und hat mich dann wieder aus den Augen verloren, weil sie nicht so richtig versteht, was ich so vorhabe. Ich glaube da einfach an die Zeit, an die Kraft der Zeit, die hoffentlich für mich spielt.

Musical-Zeitung.de: Ihre Musik zeigt Vielseitigkeit. Es gibt Jazz- und Swingelemente. Könnten Sie mit dem Begriff „Schlagerpop“ etwas anfangen?

Ella Endlich:
Schlagerpop gefällt mir gar nicht! Schlagerpop meint für mich irgendwie gar nichts. Wenn man davon ausgeht, dass Schlager erst einmal deutschsprachig ist und ein erfolgreiches Lied ist, dann ist Grönemeyer Schlager, dann ist Silbermond Schlager, dann ist alles Schlager. Das einzige, worin sich Musiken unterscheiden, das ist im Handwerk und in der Qualität. Und ich habe nicht das Gefühl, dass ich bei dem, was ich bisher gemacht habe, schlechte Qualität abgeliefert hätte. Von daher mache ich deutschsprachige Musik, die sich definitiv an dem Dagewesenen wie wir es beispielsweise in den 70er Jahren hatten, orientiert, insbesondere an Caterina Valente, Udo Jürgens und Hildegard Knef – das sind meine Vorbilder, was das angeht. Aber trotzdem möchte ich mit dem, was ich tue, im Jahr 2012 sein.



Musical-Zeitung.de: Sie haben nicht nur Musicalrollen gespielt, sondern bisher auch viele Konzerte gegeben. Arbeitet man beim Musical anders als sonst bei den Konzerten mit dem Publikum von Ihrem Gefühl her?

Ella Endlich:
Von meinem Gefühl her ist „Sylt- ein Irrtum Gottes?“ kein Musical, sondern ein Liederabend, der so gut funktioniert, weil die Charaktere gut ausgearbeitet wurden, was man im Musical ja oft nicht so hat. Da hat man so ein paar Richtlinien und eine Schablone. Aber ansonsten ist wenig Freiheit drin. Und das ist das, was ich so schätze an diesem Liederabend: Man hat Luft und Zeit, sich freizuspielen und zu entdecken und zu gucken, was mit dem Publikum passiert. Es sind viele improvisierte Elemente dabei. Es gibt Teile, die sind leicht improvisiert, insbesondere die Gänge der Lieder oder wer angesungen wird. Das ist nicht immer von Vornherein klar. Und das - finde ich - ist das Schöne. Beim Musical gibt es eine ganz klare Mathematik, die man zu bedienen hat. Mir kommt es zumindest so vor.

Musical-Zeitung.de: Das Thema „Musical“ haben Sie – wie Sie gesagt haben – ein wenig hinter sich gelassen. Gibt es denn gar keine Rolle mehr, die Sie unbedingt spielen möchten?

Ella Endlich:
Meine Lieblingsrolle war die Sandy in dem Musical „Grease“. Die habe ich in St.Gallen, im Stadttheater, gespielt. Das war für mich eine der tollsten Rollen, weil ich immer schon in „Grease“ spielen wollte. Da habe ich mir schon ein bisschen von dem erfüllt, was ich wollte. Es kann aber gut sein, dass es künftig noch gute Stücke gibt, die ich richtig interessant finde und toll oder eine interessante Persönlichkeit, über die ein Musical gemacht wird. Da würde ich dann vielleicht noch einmal darüber nachdenken. Aber bei den Long-Run-Produktionen oder bei den Stadttheaterproduktionen habe ich momentan kein Interesse, da mitzumachen.

Musical-Zeitung.de: Wer wäre so eine Persönlichkeit, die Sie noch reizen würde?

Ella Endlich:
Caterina Valente. Das wäre schon toll. Mich fasziniert die Vielseitigkeit von ihr. Sie ist im Zirkus groß geworden und ist darstellerisch stark. Man weiß oft gar nicht, dass sie eine großartige Musikerin ist. Sie kann Jazz-Gitarre spielen. Ich spiele selber Ukulele und könnte mir die ganzen Lieder daraufschaffen. Ich finde, das ist ein tolles Instrument. Sie klingt süßer als eine Gitarre und hat den Weltfrieden in sich.

Musical-Zeitung.de: Wenn Sie wieder nach Berlin fahren, welche Eindrücke nehmen Sie von Hamburg und den Hamburger Kammerspielen mit?

Ella Endlich:
Ich habe Hamburg nun kennen gelernt, und ich finde Hamburg toll. Das fängt bei den Menschen an, die sehr freundlich sind. Der Service ist besser als anderenorts, aber das Wetter ist nicht so gut. Die Zusammenarbeit mit dem Haus verlief reibungslos und ganz toll. Ich habe das im Vorfeld auch gewusst, worauf ich mich einlasse, und es ist genauso geworden, wie ich es gedacht habe. Von daher ist es eine schöne Zeit für mich an diesem Haus.

Musical-Zeitung.de: Verraten Sie Ihr nächstes Projekt?

Ella Endlich:
Ich mache den ganzen Dezember lang eine Deutschland-Tournee mit einem Gospel-Chor.
Die heißt „Christmas Moments“ und tourt durch viele deutsche Städte. Das findet man auch auf meiner Internetseite. Da singe ich auch „Küss mich, halt mich, lieb mich“ mit dem Gospel-Chor.

Stand: 08/2012